Comtoise Uhren des Hohen Jura!
Schwarzwald-Comtoise-Uhren!
Laternenuhren aus Pont-Farcy!
Schwarzwald Laternenuhren!
Jeder Sammler von Comtoise Uhren oder von Schwarzwald Uhren hat sicherlich schon einmal im Schwarzwald gefertigte sogenannte *Schwarzwald-Comtoise* Uhren gesehen, also diejenigen Uhren, bei welchen meistens ein geprägtes Comtoise Zierblech das hölzerne Bogenschild-Zifferblatt ersetzte oder sogar mit einem aus Stuck gefertigtem Comtoise-Motiv-Zifferblatt versehen war. Wesentlich zahlreicher sind jedoch im Hohen Jura gefertigte Comtoise Uhren, die auf den Zifferblättern die Namen ihrer in Frankreich sesshaft gewordenen Schwarzwälder Verkäufer trugen, also typische Namen wie z.B.: Dilger, Dold, Dorer, Dufner, Faller, Fernbach, Herrmann, Hettich, Hilpert, Hilser, Hirt, Ketterer, Kientzler, Kienzler, Liebher, Pfaff, Scherzinger, Schwer, Schweizer, Tritschler, Villmann, Wehrle, Wintermantel, Zähringer und andere.
Die Schwarzwälder Uhrenhersteller und ihre in alle Welt ausgesandten Verkäufer verkauften im Ausland nicht nur die typischen hölzernen Uhren des Schwarzwaldes, sondern kopierten und fertigten dann in der Schwarzwälder Heimat auch die in den Ländern vorgefundenen heimischen Produkte, wie z.B. Comtoise Uhren aus Frankreich oder Tischuhren aus England. Die heimischen Produkte wurden dem ausländischen Produkt angepasst und erfolgreich im Ausland vertrieben.
Comtoise Uhren wurden hinsichtlich ihrer Uhrwerke nur extrem nachrangig nachgebaut, vermutlich waren die französischen Produkte zu preiswert, als dass man sie im Schwarzwald als Nachbauten noch preiswerter hätte bauen können.
Lorenz Bob integrierte die Technik des Rechenschlagwerks der Com-toise Uhr in ein holzgespindeltes 8 Tage Stollenwerk. Ein großer Erfolg scheint sein Werk nicht gewesen zu sein, da es heute extrem selten aufgefunden wird. Siehe meine *Geschichte der Comtoise Uhren*, Band 1 Seiten 152/153. Eine weitere von Lorenz Bob hergestellte Uhr war wohl für den spanischen Markt bestimmt, siehe Seite 451/Nr. 451 CUM hier im Buch. Uhren für den englischen Markt nahmen einen wesentlichen größeren Rahmen ein, denn z.B. baute Fidel Hepting, der sich auch als Nachbauer französischer Comtoise Uhren outete, vgl. *Geschichte der Comtoise Uhren*, Band 1, Seite 345/Nr. 345, Band 2 Seite 151 ff. , vornehmlich Uhren für diesen englischen Markt, vgl. Band 3/1 Seite 450, Nr. 450 CUM. Zahleiche Hersteller bauten Uhren ebenfalls für den englischen Markt, die bekannteste Firma dürfte wohl Winterhalder & Hofmaier sein.
Als Überschrift hatten Sie oben gelesen: Schwarzwald Laternenuhren!
Es gab in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein weiteres - im Vergleich zum Jura - wesentlich kleineres Zentrum einer Uhrenproduktion in Frankreich, dessen Produkte für die gleiche Käuferschicht, wenn auch regional begrenzt, wie die der Comtoise Uhren gebaut wurden. Es ist hier von den Laternenuhren der Normandie aus Pont-Farcy die Rede. Da die Schwarzwälder Uhrenhersteller gern die Produkte ihrer ausländischen Konkurrenten nachahmten, ist es nicht verwunderlich, dass es auch Laternenuhren aus dem Schwarzwald gibt, die im Absatzgebiet der Pont-Farcy Uhren vertrieben wurden.
Wenn man weiss, wie die Schwarzwälder Uhrenhersteller arbeiteten, dann hätte man durchaus auf den Gedanken kommen können, nach Uhren zu suchen, die denjenigen Uhren ähnlich sind, die in Pont-Farcy hergestellt wurden.
Ich allerdings muss zugeben, dass ich diesen Weg nicht gegangen bin, sondern dass ich schon vor vielen Jahren Laternenuhren in Frankreich gekauft hatte, die für mich ganz eindeutig Teile enthielten, die sehr stark an Schwarzwälder Uhren erinnerten. Eine Erkenntnis, die ich in einschlägiger Literatur über Schwarzwalduhren nicht gefunden hatte und die ich nun, nach erweiterter Erkenntnis über französische Laternenuhren als im Schwarzwald gefertigte Laternenuhrwerke mit französischen Zifferblättern erkennen musste, die in Konkurrenz zu den Laternenuhren aus Pont-Farcy standen und die vermutlich der ländlichen Kundschaft der Laternenuhren in der Normandie als preiswertere Version angeboten wurden.
Da Comtoise Uhren und Pont-Farcy Uhren in direkter Konkurrenz standen und auch die Schwarzwälder Hersteller/Verkäufer mit beiden Uhrentypen in Konkurrenz standen, werden Schwarzwälder Laternenuhren nun auch in diesem Band 3 über die Geschichte der Comtoise Uhren erwähnt.
In der Normandie, bedingt allein durch ihre räumliche Nähe zu England, verbreiteten sich neben den großen Städten, wie z.B. Paris, Lyon oder Blois, der neue Uhrentyp - Laternenuhren - sowie die technischen Neuerungen - Hakengang, Rechen-schlagwerk - schneller als in anderen französischen Landesteilen. In den Städten arbeiteten die Uhrmacher meist mit dem Metall Messing, während auf *dem Land* in der Provinz vielfach Uhrmacher und Schmiede mit dem Metall Eisen arbeiteten. Die ländliche Bevölkerung war weniger kaufkräftig, so dass preiswertere Uhren als die von städtischen Uhrmacher gefertigten *Messing-Laternenuhren* angeboten werden mussten, also überwiegend aus Eisen gefertigte *Eisen-Laternenuhren*.
Es geht mir hier nun nicht um eine Entwicklungsgeschichte der Laternenuhren aus Pont-Farcy. Die Quellenlage, diese Uhren betreffend, ist sehr bescheiden, wesentlich bescheidener als bei Comtoise Uhren. Bisher war sehr wenig über diese Uhren bekannt.
Wie wenig, kann man leicht daraus ersehen, dass selbst Ton Bollen in seinem Buch FRANSE LANTAARNKLOKKEN aus dem Jahr 1978 noch nichts über Laternenuhren aus Pont-Farcy wusste, bzw. dass er diese Uhren, die wir heute eindeutig Pont-Farcy zuschreiben, fälschlicherweise Saint-Nicolas d‘Aliermont zuordnete. Vgl. Abb. 61 und 62 sowie insbesondere 63, denn hier schreibt er: „Een zelfte type lantaarnklok als van foto 61, +/- 1790. Het belhek is geperst, zoals bij de Comtoises na 1825. De wijzerplaat is direct in het messing gegraveerd. Lantaarnklokken me dit type fronton zijn bijna zonder uitzondering afkomstig uit Saint Nicols d‘Aliermont, het latere Comtoise-centrum in Calvados. Dit type lantaarnklok is uitsluitend als kastwerk onworpen.“ ( Ein gleicher Laternenuhrtyp wie von Foto 61, +/- 1790. Das Zierteil ist geprägt wie bei den Comtoisen nach 1825. Das Zifferblatt ist direkt in das Messing graviert. Laternenuhren mit diesem Zierblechtyp stammen beinah ohne Ausnahme aus Saint Nicols d‘Aliermont, dem späteren Comtoise-Zentrum im Calvados. Dieser Laternenuhrtyp ist ausnahmslos für Uhrgehäuse entworfen )
Auch René Schoppig spricht in seinem Buch von 1984 L‘HORLOGE FRANCAISE A POIDS nicht von Laternenuhren aus Pont-Farcy. Auf Seite 176 spricht er von HORLOGE „LANTERNE“ NORMANDIE ÉPOQUE LOUIS XVI, auf Seite 178 von HORLOGE „LANTERNE“ NORMANDE, auf Seite 198 von HORLOGE „LANTERNE“ NORMANDE ÉPOQUE NAPOLÉONIENNE, und bildet Uhren ab, die wir heute eindeutig Pont-Farcy zuschreiben.
Auch im Ausstellungskatalog des Jahres 1985 QUATRE SIÈCLES D‘HORLOGERIE FRANCAISE À POIDS / LE PUY-EN-VELAY MUSÉE CROZATIER werden die Uhren der Abbildungen No. 57 und No. 58 als Horloge lanterne normande bezeichnet, wobei eben kein Unterschied zwischen den Uhren aus Pont-Farcy, welches in der Basse-Normandie liegt, und anderen Uhren der Normandie gemacht wird, also z.B. Uhren aus Städten wie Caen, Cherbourg, Rouen usw. gemacht wird.
Erstmalig erscheint eine Arbeit über die Laternenuhren aus Pont-Farcy im Jahr 2016/2017 von Daniel Cousin „Les Horloges de Pont-Farcy“ in der AFAHA Revue HORLOGERIE ANCIENNE, Ausgaben No. 81 vom Juni 2017 und No. 82 vom Dezember 2017, die klar werden lässt, dass dieser Laternenuhrtyp in Pont-Farcy produziert wurde und nicht an zahlreichen Orten der Normandie.
Die Uhrwerke der Pont-Farcy Laternenuhren zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus.
1. Ein aus Eisen geschmiedeter Käfig mit Boden - und Deckplatte, deren 4 rechteckige Käfigstreben durch Boden - und Deckplatte hinausstehen. Unter dem Käfig sind diese ca. 5 - 8 cm lang und formen somit die Füsse, auf denen das Werk steht. Verlängerung der Käfigstreben nach oben von ca. 2 - 3 cm. Die obere Verlängerung ist aber kein Muss.
2. 3 rechteckige Flachplatinen aus Eisen werden eingesetzt. Mit 2 kleinen Füsschen an den unteren Enden werden sie in die untere Bodenplatte eingesetzt und gehalten, wohingegen sie in der Deckplatte in Aussparungen eingesetzt werden und dort durch kleine Keile gesichert und in Position gehalten werden. Die vordere Flachplatine ist in der Regel länger als die beiden anderen Platinen und steht über die Deckplatte hinaus, so dass sie das vordere Lager der Ankerachse aufnehmen kann. Gehwerk und Schlagwerk liegen hintereinander, wobei die mittlere Platine sowohl die Achsen von Gehwerk und Schlagwerk besitzt.
3. Rückseitig wird noch eine aus Eisen geschmiedete Pendelhalterung angebracht, die dann später auch das Lager der Ankerachse trägt.
Diese Käfigkonstruktion konnte als Standardkäfig von einem Zulieferer in Serie gefertigt werden. Schrauben werden sehr wenige an den Uhrwerken verwendet, anscheinend nur für die Befestigung des Glockenständers und des Pendelhalters. Keile - bzw. Vorsteckstifte werden eingesetzt. Dies ist natürlich nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, welche Probleme die Anfertigung von Gewinden, d.h. Außengewinden und Innengewinden im 18. Jahrhundert und auch noch im 19. Jahrhundert, bereitet hat.
Die Laternenuhren aus Pont-Farcy waren serienmässige Produkte in der Tradition des 17.+ 18. Jahrhunderts, wohingegen die Comtoise Uhren des Hohen Jura ( auch die Uhren des frühen 18. Jahrhunderts ) bereits Zukunftsprodukte des 19. und 20. Jahrhunderts waren. Wenn Sie in meinem Buch URSPRUNG DER COMTOISE UHREN von 2018 das Kapitel über *Schrauben an Comtoise Uhren* gelesen haben werden, dann werden Sie sicherlich nachvollziehen können, warum auch die ältesten Comtoise Uhren hochmoderne Produkte der damaligen Zeit waren.
Pont-Farcy Laternenuhren besitzen in der Regl 36 Stundenwerke. Seltener, aber auch vorkommend, sind 8 Tage Werke. Montiert werden runde Messing- oder Keramikzifferblätter. Bei den ältesten Uhren kommen auch - sehr selten - Zinnzifferblätter und bei den jüngeren Uhren auch Emailzifferblätter vor. Über dem runden Zifferblatt wird oftmals ein Zierelement montiert, bei den älteren Uhren oftmals ein Messinggussteil, bei den jüngeren ein geprägtes Messingzierteil, welches hinter dem Zifferblatt zwischen diesem und den oberen kurzen Verlängerungen der Käfigstreben festgeklemmt wurde.
Traditionell zeigten diese Pont-Farcy Laternenuhren in Standuhrkästen die Zeit an, d.h. sie waren für den Einbau in Standuhrgehäuse konzipert. Vielfach konnte der Betrachter der Uhr vom Werk nichts erkennen, lediglich das runde Zifferblatt und evtl. noch die aufgesetzte Bekrönung waren sichtbar.
Anhand der Räder, Triebe und Hebel der Schwarzwald Laternenuhren darf man davon ausgehen, dass diese Werke in der Zeit um 1840 bis 1860 gefertigt wurden, also in der letzten Phase der Produktion der Pont-Farcy Laternenuhren, die insgesamt etwa 100 Jahre lang von ca. 1750 bis 1850 am Markt waren. Die Comtoise Uhren des Hohen Jura waren die Totengräber für die Pont-Farcy Uhren, die Schwarzwälder Laternenuhren halfen ein wenig nach, waren aber sicherlich nicht entscheidend. Schaut man sich die Uhrwerke der Schwarzwald Laternenuhren an, dann fallen 6 Uhrenteile auf, die sofort an Schwarzwälder Uhrwerke erinnern und die an originär französischen Werken nicht vorkommen.
- Der Blechanker ( siehe Abbildung Nr. 1 Seite 473 A)
- Die Verbindung des Drahtes der Pendelführung mit der Ankerwelle und die Bildung der Pendelführung einfach durch Biegen und Formen des Rechtecks. ( siehe Abbildung Nr. 2 Seite 473 A )
- Die Sicherung der Schlossscheibe auf der hinteren Platine wird durch eine aus gebogenem Draht bestehende Andruckfeder gewährleistet. ( siehe Abbildung Nr. 3 Seite 473 A )
- Pendelaufhängung mittels einer aus dünnem Draht gebogenen u-förmigen länglichen Schlaufe, welche an beiden Enden in kleinen Löchern eines Halters aufgehängt wird. ( siehe Abbildung Nr. 3 Seite 472 A
- Der Einfallhebel der Schlossscheibe ist ebenfalls ein gebogener und bearbeiteter Draht. ( siehe Abbildung Nr. 3 Seite 473 A )
- Das typische Schwarzwald Pendel, bestehend aus Drahtstab und hölzerner Pendelscheibe, meist mit Messingblech überzogen und auf dem Drahtstab verschiebbar, dürfte bei der vorhandenen Pendelaufhängung benutzt worden sein und den Lesern wohl bekannt sein.
Die Uhrmacher der bekannten Uhrendynastie der HAGNEAUX aus Coudres ließen sich von den Comtoise Herstellern des Hohen Jura spezielle an den Geschmack der Normandie angepasste Comtoise Uhren bauen, wobei der Comtoise Uhrenkäfig auf höhen Füssen stand. Ein solch typisches Exemplar ist die Uhr von Thomas Hagneaux à Coudres, die aus der Zeit um 1836/1837 stammt. Siehe Abbildung der Uhr Seite 478 bzw. in Band 1 Geschichte der Comtoise Uhr, Seite 146 Nr. 146 CUM Thomas Hagneaux
Es sind ebenfalls Uhren dieses Typs bekannt, die mit Victor Hagneaux und Nicolas Hagneaux signiert sind.
Haben Sie erkannt, dass von den 3 abgebildeten Laternenuhren auf Seite 472 A zwei Stück Schwarzwald Laternenuhren sind und nur eine Uhr aus Pont-Farcy stammt? Die linke Uhr ist aus Pont-Farcy, die mittlere und rechte Uhr stammen aus dem Schwarzwald!
Ich hoffe, dass dieser Nachweis der Existenz von Schwarzwälder Laternenuhren Sammler von Schwarzwälder Uhren animieren wird, sich mit der weiteren Erforschung dieser Uhren zu beschäftigen. Ich hoffe auch, dass weitere Schwarzwälder Laternenuhren „auftauchen“ werden, die meine obigen Ausführungen belegen werden und dann zu weiteren Erkenntnissen führen werden.