1. Uhr oben frontal

Wenn Sie diese Laternenuhr betrachten, dann denken Sie sicher, dass es sich um eine der vielen Reproduktionen aus den 1970er Jahren der häufig anzutreffenden bekannten englischen Laternenenuhr mit der Signatur: THOMAS MOORE IPSWICH handelt.

Diese hier abgebildete Uhr ist jedoch das Original, welches als Vorlage für die Schaffung der Produktionswerkzeuge der allseits bekannten Reproduktion diente.

Diese englische Laternenuhr mit Signatur THOMAS MOORE IPSWICH erhielt ich von Herrn Otto Heuft aus Münster als Geschenk.

Und das kam so!

Im Jahr 2010 oder 2011 besuchte ich Herrn Otto Heuft in Münster, da er mir einige Comtoise Uhren verkaufen wollte. Ich kaufte seinerzeit eine Comtoise Uhr, die mit der Inventar Nummer 290 CUM im Museum hängt bzw. in meinem Buch abgebildet ist, und durch eine Pendellänge von 221 cm auffällt.

Als ich in sein Wohnzimmer von Herrn Heuft trat und die Laternenuhr an der Wand hängen sah, sagte ich wohl ganz spontan: „Oh, endlich einmal ein Original einer Thomas Moore Ipswich Laternenuhr!“

Herr Heuft antwortete dann ebenso spontan: „ Sie sind der erste Besucher, der sofort sieht, dass es sich bei dieser Uhr um ein Original handelt und nicht um die allseits bekannte Kopie.“

Er erzählte mir dann, dass er diese Uhr seinerzeit von Herrn Schlenker / SELVA Trossingen gekauft hätte.

Ich fragte ihn dann, ob er denn die Geschichte seiner Uhr und ihrer Kopie kennen würde? Er kannte die Geschichte nicht.

Die Kopie der engl. Laternenuhr *THOMAS MOORE IPSWICH* wurde durch die Fa. SIERIMPEX  ( Silazi en Ratkai Import Export ) aus Amsterdam  hergestellt, aber nicht in den Niederlanden, sondern in Ungarn.

Die Herren Zoltan Silazi und Laios Ratkai waren während des Ungarnaufstandes von 1956 aus ihrem Land geflohen und nach Amsterdam gekommen. Zoltan Silazi war ursprünglich Musiker gewesen, Laios Ratkai war Künstler/Bildhauer gewesen. Beide machten in Amsterdam Bekanntschaft mit Ed van der Woude, welcher wohl aus Messing geprägte Souvenirartikel, z.B. kleine Bilderrahmen, fertigte. Zu dieser Zeit, Anfang der 1970er Jahre, war bereits die Nachfrage nach alten Comtoise Uhren so gross, dass diese 3 Personen dann wohl auf die Idee kamen, aus Messing geprägte Prachtpendel/Blumenpendel zu fertigen, da auch unzählige Comtoise Schrottwerke jede Woche aus Frankreich nach Holland kamen, die man durch neue Pendel ( die dann auch oft auf alt und antik getrimmt wurden ) wieder in den Verkauf bringen konnte.                        

Wer sich mit Comtoise Uhren zu Anfang der 1970er Jahre beschäftige, kam zwangsläufig mit dem größten Importeur von alten Comtoise Uhren in den Niederlanden, Fa. Schoormans in Geldrop, zusammen. Alle vier nun zusammen kamen wohl auf die Idee, originalgetreue Reproduktionen von Comtoise Uhren zu fertigen, da die irre Nachfrage mit alten aus Frankreich importierten Comtoise Uhren nicht befriedigt werden konnte. Die Herren Silazi und Ratkai verfügten natürlich noch über Kontakte in ihre alte Heimat Ungarn, so dass dann über ARTEX BUDAPEST das Projekt in Angriff genommen wurde.        

Reproduktionen wollen natürlich auch verkauft werden, und die Fa. Sierimpex bot diese Reproduktionen dann auch der Fa. SELVA/Karl Christian Schlenker KG an. 

Herr Schlenker war sehr interessiert, aber noch vielmehr interessierte ihn eine Kopie seiner eigenen englischen Laternenuhr von THOMAS MOORE IPSWICH.  Wurde die Repro Comtoise  auf der Katalogvorderseite des SELVA Katalogs von 1974  dann den Käufern vorgestellt, so folgte bereits im Jahr 1975 die Repro Laternenuhr, ebenfalls auf der Vorderseite des Katalogs ( siehe Abbildungen des SELVA Katalogs im NEWSLETTER Nr. 4 ORDNER von  www.morbier-clocks.de )

1000 Stück THOMAS MOORE LATERNENUHREN hatte Herr Schlenker bestellt, wohl in Erwartung eines guten Geschäfts. Doch der Verkauf lief eher schleppend, und es war sicherlich ein großes Glück für die Firma SELVA, dass die Fa. SIERIMPEX den vereinbarten Liefertermin nicht einhalten konnte, so dass die Fa. SELVA den Vertrag über die Lieferung der 1000 Laternenuhren kündigen konnte.                                                        Der vereinbarte Liefertermin wurde nicht eingehalten, was aber nicht bedeutete, dass die Uhren nicht produziert wurden. Sie wurden produziert und wurden dann schliesslich in Amsterdam allen Kunden angeboten. Jeder Händler konnte die gewünschte Anzahl Uhren kaufen, so dass diese dann bald überall im Antikhandel angeboten wurden.

Ich persönlich kann mich gut erinnern, dass ich damals mit meiner Firma diese Uhren auf den Frankfurter Frühjahrs- und Herbstmessen und der Schweizer Mustermesse neben den Reproduktionen der Comtoise Uhren verkauft habe. 

Zahlreiche dieser originalgetreu nachgebauten THOMAS MOORE IPSWICH Laternenuhren wurden im Laufe der Zeit dann von einigen nicht ganz so seriösen Zeitgenossen zu original englischen Laternenuhren des 18. Jahrhunderts weiterentwickelt, indem man die untere Werkplatine, in welcher eine fünfstellige Seriennummer  ab 10001 eingeschlagen war, durch eine solche ohne Nummer ersetzte ( was relativ einfach war, denn man benötigte eigentlich nur das entsprechend gleich dicke Messingblech ).  Vermutlich konnte man aber auch direkt bei entsprechender Menge Uhren ohne Werksnummer bestellen, um den lästigen Umbau zu vermeiden.   Das Zifferblattinnenteil mit der Signatur  THOMAS MOORE IPSWICH wurde durch ein anderes Innenteil mit einer anderen Signatur ersetzt oder es wurde direkt das komplette Zifferblatt gegen ein anderes Zifferblatt ausgetauscht, und auch die drei Zierdächer unter der Glocke wurden gegen *antikisierte* Exemplare getauscht. 

Man darf jedenfalls davon ausgehen, dass in zahlreichen Sammlungen schöne, angeblich orginal antike, Laternenuhren hängen, deren Basis aus dieser THOMAS MOORE IPSWICH Laternenuhr besteht.